DUNKLE WOLKEN ÜBER DER STADT
1 Morgengrauen
4:00 Uhr
Kurz vor der Dämmerung lag noch immer Dunkelheit über der Stadt im mittleren Westen Amerikas. Dunkelheit und Unruhe. In der kleinen Stadt Dalton in Colorado. Stille und Leere gähnten auf der alten Tannersroad. Indes galoppierten die Mustangs auf der Koppel unruhig umher. Sie spürten die Gefahr, die sich über Dalton zusammenzog. Die Besitzerin Mrs. Tanner war eine Frau in den mittleren Jahren mit knöchelhohen Gummistiefeln. Die Pferdezucht war der Mittelpunkt ihres Lebens und spätestens um fünf Uhr morgens stand sie auf der Matte. Rosemarie Tanner lebte mit ihren Pferden und sie führten ein gutes und zufriedenes Leben. Aber jetzt scheuten sie einander. Galoppierten auf einmal, ohne ersichtlichen Grund, auf eines ihrer Artgenossen zu, um dem dann gerade noch auszuweichen. Das Gras war saftig und grün, nichtsdestotrotz rührten sie es heute nicht an. Ihre Augen bewegten sich schnell und hastig. Die Nüstern hoben und senkten sich unregelmäßig, denn sie spürten eine Gefahr... Ein prächtiger Fuchs wieherte laut in den anbrechenden Morgen. Eben dieses Wiehern drang an Mrs. Tanners Ohr und riss sie unsanft aus dem Schlaf. Sie schreckte auf und sah starr in die Dunkelheit ihres Zimmers. Wieder hörte sie dieses Wiehern und sie ängstigte sich zusehends. Sie kratzte sich an der Stirn, schlug die Bettdecke zur Seite und lief an ihr Fenster, das ihr einen Blick über die Koppel gestattete. Sofort bemerkte sie, da stimmte etwas nicht! Mrs. Tanner warf sich schnell ihre Sachen über. Einen alten Pullover über das Nachthemd und eine verwaschene Jeanshose bedeckten ihre dicklichen Beine. In wenigen Minuten stürmte sie aus dem Zimmer. Die Pferde wurden jetzt lauter. Sie schienen ihre Herrin zu rufen. Rose Tanner riss die Haustür auf und stürmte ins Freie. Sie rannte an den zwei großen, braunen Scheunen und an ihrem alten Traktor vorbei; sie eilte den zertretenen Pfad zur Koppel hinauf. Augenblicke später, stand sie neben ihrem Fuchs und streichelte ihn sanft. Die anderen neun Pferde gesellten sich dazu. Doch keines beruhigte sich. Rose sah hinauf zum Firmament, wo sich die Wolken über der Stadt zusammen zogen. Sie segelten schnell aufeinander zu; kollidierten miteinander, verdichteten sich zu komplexen Geschwüren. Die Wolken waren richtig dreckig grau und Rose fürchtete eine Regenflut.4:15 Uhr
Der kleine Randy lag vor dem Bett seines Herrchens, spitzte die Ohren und die leicht glühenden Augen blickten um sich, als ob er einen Angriff argwöhnte. Der Teppich war warm und angenehm auf dem Fell und roch noch immer nach den Fußspuren seines besten Freundes. Randy zitterte leicht und seine spitzen Ohren legte er an. Sein bester Freund drehte sich gerade auf die andere Seite des Bettes und ein knorriges Knarren bestätigte seine Körperverlagerung. Randy hob kurz den Kopf und sah nach seinem jungen Freund und legte ihn wieder auf die zwei weit von sich gestreckten Pfoten. Vor etwa drei Jahren sahen sie noch riesig und patzig aus und der kleine Junge und seine Eltern hatten ihn immer umgestupst: Er war wie ein Bauklotz zur Seite gefallen. Plötzlich donnerte es. Das große Fenster in Benjamins Zimmer erzitterte leicht. Randy jaulte kurz auf; er verkroch sich mit allen vier Pfoten, den buschigen Schwanz einziehend, unter Bennis Bett. Der Hund zitterte am ganzen Leib, als abermals ein dumpfes Grollen durch die Luft brach. Benjamin rollte sich in seinem Bett fieberhaft hin und her und fiel heraus. Die großen Mondaugen des Hundes musterten den Jungen, der langsam erwachte. Regen klopfte nun an das Fenster. Ben sah erschreckt um sich und Randy kroch unter dem Bett hervor zu seinem Herrchen. Die Ohren des Mischlings spitzten sich. Randy leckte Benjamin die Hand ab. Vom Schlaf zerwühlt und müde gähnend kraulte Benjamin seinen Hund im Genick. Randy knurrte zu Frieden. Schließlich kroch Ben in sein Bett und Randy setzte sich davor und bewachte sein Herrchen. Der Regen trommelte an das Fenster während Ben wieder in seine Traumwelt sank. Vor seinem Bett kauerte der Hund und zitterte immer noch leicht. Randy befürchtete eine Katastrophe von großer Tragweite und mit schrecklichen Folgen. Sein Instinkt drängte ihn zu dieser Erkenntnis. Ein Blitz zerriss die schwindende Dunkelheit. Der Hund fürchtete um das Leben seines kleinen Freundes.4:26 Uhr
Etwa eine Meile vor der eigentlichen Stadt wohnte ein alter Indianer. Er war so alt, wie ein Mammutbaum, hieß es und er war so weise wie alles Wissen der Welt, erklärte man den Kindern manchmal beim Abendbrot. Doch auch dieser weise Mann schien etwas zu befürchten. Nicht nur, dass die Tiere Angst verspürten, nein er konnte sie regelrecht hören. Darauf angesprochen, hätte er bestimmt mit den Schultern gezuckt und gesagt: Watatanka. Dieses Wort war der Inbegriff für alle Religiosität und des Übernatürlichem. Natürlich wusste der Indianer über die wissenschaftliche Erklärung der natürlichen Wetterphänomene bescheid. Aber dieses Ding was sich da anbahnte kam dem Watatanka am nächsten. Der alte Indianer hieß Little Cloud und jetzt saß er auf der Veranda seines ebenfalls alten Holzhauses. Seine kleinen zusammengekniffenen Augen starrten in eine endlose Dunkelheit, die durch den Schleier des Regens noch unheimlicher wirkte. Cloud wartete auf einen Blitz. Es musste doch ein Blitz folgen, damit er sehen konnte, ob der große Geist ihn holen wollte. Er fühlte sich schon lange nicht mehr Gesund und seine alten, brüchigen Knochen gaben auch schon so langsam den Geist auf. Vielleicht würde er heute in die ewigen Jagdgründe zu seinen Stammesbrüdern ziehen. Und wenn nicht, dann glaubte er heute eine Antwort auf sein Dasein zu bekommen. Vielleicht wartete der große Manitu auf den Morgen, um ihn dann zu sich zu holen. Er würde auf jeden Fall hier in seinem Schaukelstuhl sitzen bleiben und warten. Komme was da wolle{, dachte er belustigt und stopfte sich seine Pfeife. Der Regen wurde stärker und ließ auch wieder leicht nach, doch aufhören wollte er nicht. Ein leichtes Feuer im Osten machte sich bemerkbar. Rot, gelb, orange Töne mischten sich und der Sonnenball begann seinen heutigen Weg. Der Lichtschein erfüllte nun einen kleinen Teil der Felder und wachte über das Land.5:00 Uhr
Einer der Sonnenstrahlen suchte seinen Weg durch die Stadt in das Fenster des großen Hauses mit der grünen Fassade. In diesem Haus wohnte eine alte Witwe, die immer streitsüchtig und eingebildet die Straße vor ihrem Haus putzte. Aber sie tat das nicht um der Sauberkeit willen, nein, um die neuesten Meldungen der Stadt mit ihren Ohren, die manchmal von Kindern Radarantennen genannt wurden, aufzunehmen. Diese alte Frau hieß mit Ernestine doch jeder nannte sie nur die fette Ernie. Dabei war sie gar nicht so dick. Aber sie war eben unfair und mischte sich in Dinge, die sie einen feuchten Kehricht angingen. Und weil sie jetzt mit ihren zweiundsiebzig Jahren wie eine Ente über den Gehweg watschelte und sie nun wirklich mehr zunahm, bürgerte sich der Name ein und sie konnte sich nicht dagegen wehren. Sie hatte sich gerade fertig angezogen und saß nun in ihrer kleinen Küche am Küchentisch vor ihrer großen Kaffeetasse. Verträumt, aber an nichts Bestimmtes denkend, sah sie dem Strudel im Kaffee zu. Sie rührte und rührte ohne sich dessen eigentlich richtig bewusst zu sein. Der kleine Strudel mit seiner kleinen Schaumkrone zog sie wie ein Magnet an, bis der Eierkocher laut schrillte. Sie erhob sich behäbig und watschelte dem Gerät entgegen. Als sie die Eier abgeschreckt hatte sah sie aus dem Fenster, was eigentlich einer ihrer häufigsten Freizeitbeschäftigungen war. Aber was sollte so eine alte Dame denn den ganzen Tag machen? Däumchen drehen? Ernestine beobachtete die dicken Regentropfen und das leise Klopfen am Fenster erfasste sie mit melancholischen Gefühlen. Sie musste wieder an ihren Mann denken, der damals in diesem elenden Vietnamkrieg umgekommen war. Sie musste wieder an die Sterbemeldung denken, die sie von der Army erhalten hatte. Aber die Gefühle vergingen wieder und sie setzte sich an den Tisch vor ihre Tasse und frühstückte in aller Ruhe. Heute würde sie einkaufen gehen und sich mit ihrer einzigen Freundin treffen.5:30 Uhr
Rebekka Tanner saß jetzt auf ihrer Couch und verschnaufte ein bisschen. Sie hatte alle ihre Lieblinge in den Stall gebracht und versorgt. Jetzt, nach getaner Arbeit, brauchte sie eine Zigarette. Also erhob sie sich vom weichen Sofa und suchte nach einer Schachtel. Doch sie fand keine. "So ein Mist aber auch!" Also musste sie bei diesem Sauwetter nachher zu Carsons Lebensmittelgeschäft fahren und sich welche besorgen. Sie überlegte, was sie sonst noch so an Lebensmitteln brauchte und stellte eine Liste zusammen. Danach legte sie sich wieder ins Bett und schlief auch ein.5:40 Uhr
Stuart Randolf war ein schlacksiger, junger Kerl von neunundzwanzig Jahren. Er hatte sich der Literatur verschrieben. Jetzt saß er vor seinem Computer und schrieb an seinem Roman herum. Durch diese Schwüle und durch den vielen Kaffee, den er laufend trank konnte er nicht einschlafen. Aber es störte ihn kaum. Seine Freundin lag im Bett und er brauchte jetzt was, woran er sich auslassen konnte. Außerdem mochte er den Regen und deswegen öffnete er auch das Fenster. Die Sonne war nun fast ganz auf gegangen. Der Bildschirm flimmerte ihn an und seine Finger flogen förmlich über die Tasten. Plötzlich wurde ihm heiß und kalt und er verspürte den Drang sich sofort hinlegen zu müssen. Er ließ sich auf den Boden fallen und rang nach Atem. Das war wieder einer seiner Anfälle gewesen. Manchmal, wenn er Angst verspürte atmete er falsch und fühlte sich danach hundeelend. "Das scheint heute nicht gerade mein Tag zu sein.", bemerkte er. Also speicherte er und schaltete den Computer aus. Randolf schlurfte ins Schlafzimmer zu seiner Freundin Bettina und legte sich zu ihr. Bettina grummelte und drehte sich auf die andere Seite. Stu besah sich die Decke, entdeckte einen leichten, ganz feinen, Riss und dachte über seinen eben erlittenen Anfall nach. Ihm war immer noch nicht gut, aber es besserte sich schon. Warum und vor allem wovor sollte ich Angst haben?, überlegte er. Doch das blieb erst einmal ein Rätsel. Er nickte doch etwas ein und vergaß den Anfall.2 Frühstückszeit
6:00 Uhr
Ben konnte nicht mehr schlafen. Jetzt kuschelte er mit Randy und dachte über den bevorstehenden Tag nach. Heute würde er sich mit Mark treffen. Ja, sie wollten zusammen ein Fahrradrennen austragen. Die alte Piste entlang. Er würde Randy mitnehmen. "Freust du dich auch schon so auf das Rennen?", fragte er seinen Hund. Randy schleckte ihm das Gesicht ab, was Ben als Jawort verstand. "Wir werden Mark schlagen und dann muss er uns beiden ein Eis spendieren. Das wird ein Spaß werden Randy.", flüsterte er in das Ohr des Mischlings. Randy wedelte erfreut mit seinem buschigen Schwanz und aus seinem Gesicht sprach die Freude. Jetzt, wo es hell war, da fürchtete sich Randy nicht mehr so.6:10 Uhr
Luise Sellers war eine Journalistin aus Idaho. Sie hatte schon viel erlebt und in Boise war die Bezahlung für ihren Job gar nicht so schlecht gewesen. Aber als sie dann den Artikel über den Geisterfahrer in Mountain Home schrieb, da bekam sie eine Menge Ärger von ihrem Chef. Aber jetzt war sie bei der Boulder Daily angestellt und sie kam ganz gut zurecht. Sie war glücklich verheiratet und sie verdienten genug, um es sich richtig gut gehen zu lassen. Luise schlief fest in ihrem weichen Kissen und John kuschelte sich gerade an seine Frau. Die Körperwärme der Beiden entfachte in ihm das Feuer der Leidenschaft. Er wollte gerade sich ihr zuwenden, als das Telefon klingelte. Er schlug missmutig die Bettdecke zur Seite und lief halbnackt durch die Wohnung zum Telefon. John nahm ab und meldete sich: "Hier bei Sellers." "Hier ist Herbert Samson, ich möchte bitte Miss Sellers sprechen. Es ist enorm wichtig." "Mrs. Sellers! Und sie schläft noch." "Oh, ja---" "Ist es denn wirklich so wichtig?", gab John nicht gleich nach. "Ja. Bitte wecken Sie sie. Es tut mir leid, aber ich brauche Ihre Frau.", erklärte eine gutmütige Stimme in aller Ruhe. John gab nach: "Einen Augenblick bitte." Er eilte nach hinten und weckte sie unsanft: "Aufwachen Luise. Da ist ein Samson oder so am Apparat." Luise erwachte und sah ihren ärgerlich an. "Was ist denn?", fragte sie. "Da ist ein Samson am Telefon und der möchte mit dir sprechen. Er sagte-" Doch weiter kam John nicht. "Hat er gesagt, dass es losgeht?", unterbrach sie ihn. "Das was losgeht?", entgegnete ihr Mann verwirrt. Er beugte sich jetzt über sie und sah ihr tief in die blauen Augen. Doch er konnte nichts entdecken. "Ist schon gut.", antwortete sie nur und machte Anstalten sich aus dem Bett zu bewegen. Doch er hielt sie grob an ihrem Arm und fragte jetzt mit dumpfer, aber bestimmter Stimme: "Was will dieser Kerl von dir?" "Nichts.", antwortete sie prompt. Er schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht, zwar nur leicht, aber er schlug ohne Grund zu. Sie zuckte zusammen; verzog aber keine Miene. "Lass mich ans Telefon!" Sie eilte zum Telefon und er legte sich grunzend ins Bett. Ein paar kurze Fetzen des Gesprächs drangen zu ihm vor. "...was?" "Ja ...glaube schon... kommen kann." "....in halben...?" "Okay...." "Bye!" Sie legte den Hörer geräuschvoll auf die Gabel, so dass er es hörte. Ihre Wange tat ihr noch etwas weh und sie ging barfuss in die Küche. Dort setzte sie Kaffee auf und rief dann ihrem Mann zum Frühstück. Beide sprachen nicht mehr davon.6:35 Uhr
Die fette Ernie saß vor dem Fernsehgerät und sah sich einer dieser typischen Hausfrauenshows an. Es ging um ein neues Küchengerät und sie war jetzt schon begeistert. Plötzlich, mittendrin, wo der nette Koch gerade ein neues Rezept angab, da zuckte das Bild zusammen. Ein blauer Punkt und Ruhe war. "Herr Gott noch einmal!", ärgerte sich Ernestine. Sie stand auf und besah sich den Fernseher. Der war so ruhig wie ein Grab. Warum also gab er kein Ton von sich, wo sie doch nichts erkennen konnte, was dem armen Gerät fehlte? Sie wollte schon sagen: 'Bitte, bitte, lieber Fernseher geh' wieder an, als sich ihr Wunsch erfüllte. Der Strom war kurz ausgefallen. Sie sah aus dem Fenster und entdeckte eine Veränderung. Der Regen war jetzt stärker geworden und dunkle, graue Wolken zogen sich über der Stadt zusammen. Richtig bedrohend und unheilvoll sah es draußen aus. Und da! Da blitzte es eben gerade. Doch der Donner blieb aus. Sie setzte sich wieder vor den Fernseher.6:40 Uhr
Etwa zur gleichen Zeit, als die fette Ernie den Blitz erkannte, zuckte Little Cloud zusammen. Also doch! Manitu hatte an ihn gedacht. Er legte seine Pfeife in den Schoß und besah sich den Himmel. Seine Augen verengten sich zu winzigen Schlitzen und in seinem Gehirn drehten sich die Windungen schneller. Als erstes dachte er an Watatanka und als zweites rief sein Verstand: ACH DU HEILIGE SCHEISSE IN PERSON! Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er hier in ein oder zwei Stunden nicht mehr sicher sein würde. Aber wollte er nicht endlich in die Ewigen Jagdgründe zu sei seinen Stammesbrüdern? Ja schon, aber nicht unter solchen UMSTÄNDEN!, dachte er. Little Cloud erhob sich aus dem Schaukelstuhl und die Pfeife fiel zu Boden und zerbrach. Im gleichen Augenblick grollte ein herrischer Donner ihn an. In seinen Fingerspitzen glaubte er die Macht dieses Donners zu spüren. Jetzt kam zu allen miesen Umständen auch noch ein leichter Wind dazu. Ein schlechtes Omen, dachte Little Cloud.6:50 Uhr
Stuart Randolf erwachte wieder neben Bettina und er fühlte sich jetzt besser. Den Anfall hatte er schon längst vergessen und jetzt schmuste er mit seiner Freundin rum. Sie standen zusammen auf und deckten auch gemeinsam den Tisch. Nach dem Frühstück setzte er sich in die Wohnstube mit der Boulder Daily. Das Wetter verschlechterte sich minütlich, doch er nahm keine Notiz davon. Er war Englischlehrer an der Grundschule von Dalton. Die High School war in Boulder und das Collage in Denver. Dort kannte er eine Menge Leute und in einer dreiviertel Stunde würde er sich auf den Weg zur Arbeit machen. Eine leichte Gänsehaut mit einer kitzelnden und etwas erregenden Schauerwelle ließ ihn an das verdammte Wetter decken.7:00 Uhr
"Komm, Randy! Wir stehen jetzt auf!", forderte Ben seinen Hund auf. Doch Randy ängstigte sich und zitterte wieder. Da halfen auch keine Streichelleien. Ben schwang sich aus dem Bett, suchte nach seinen Pantoffeln und zerrte seinen Hund unter dem Bett hervor. Randy blickte ihn mit angelegten Ohren an. Er sah aus, wie ein pitschnasser Hund, der in einer großen Pfütze watet. Doch Ben ließ sich nicht erweichen. Er zog den Mischling an seinem Schwanz. Randy gab den Widerstand auf und folgte seinem kleinen Freund. Ben öffnete die Tür und im Flur setzte er sich an die oberste Stufe der Treppe. Es roch schon nach ausgebackenen Semmeln. Seine Mom war schon auf und jetzt, als sie gerade ihren kleinen Benni wecken wollte und die Stufen hinauf sah und dort die beiden erblickte musste sie kichern. Ihr erster Gedanke war: Die Beiden sehen aus, als kämen sie von einem gescheiterten Pfadfindertreffen. Nachdem sie sich wieder beruhigte kam Ben und sein treuer Hund die Stufen hinunter. Oben wurde plötzlich eine Tür aufgestoßen und Bennis Vater schrie: "WO IST DIESER ELENDE KLEINE HUNDEBASTDART!" Randy versteckte sich schuldbewusst, doch Ben zog ihn wieder hervor. "Was hat er denn nun schon wieder angestellt?", fragten Mutter und Sohn gleichzeitig. Da kam Henk aus dem Schlafzimmer und sie prusteten laut los. Er sah aus, als ob er aus einem Reißwolf geflohen war. Die Hosenbeine seiner Flanellhose waren in einzelne Fetzen zerrissen und schmückten die beharrten Beine des Vaters. Aus den Schuhen schäumte eine Schleimblase hervor. Angeekelt sah Henk an sich herunter. Sie mussten wieder lachen und Randy nutzte den Moment der Unachtsamkeit um sich aus dem Staub zu machen. Er verschwand durch die Türklappe und stand im Regen. Die Familie Smith setzte sich nachdem Henk sich umgezogen hatte an den Tisch und begannen mit dem Frühstück. Sie wussten, dass Randy schon wieder zurückkommen würde. Gerade bei diesem miesen Wetter.7:20 Uhr
Luise Sellers knallte hinter sich die Tür zu und spannte ihren Regenschirm auf. Sie musste gerade an eine Zeile aus Bus Stop" denken. Ein guter Song der Hollies. Sie stand auf Rockballaden. Doch das Lied geriet in den Hintergrund und eine Gedankenflut spülte sich den Felsen des Verstehens entgegen. Die Brandung war außerordentlich stark. Seit einigen Tagen hatte Samson von nichts anderem mehr gesprochen. Er hatte auch gemahnt, dass das "die Story des Jahres" sein würde. Sie kannte Samson von der High School. Er wohnte am westlichen Ende der Stadt. Also stiefelte sie durch dieses Sauwetter und glaubte, dass seine ärgsten Befürchtungen sich heute bewahrheiten würden. Was dann?, fragte sie sich. Weiß ich doch nicht, kam ihr die typische Von - nichts - 'ne - Ahnung - haben - Laune an die Oberfläche ihrer Gedanken. Auf den Straßen regte sich langsam das Leben und sie wurde somit wieder in die Realität zurückgeholt. Nach einigen Schritten über patschnasse Gehwege stand sie vor dem Haus, in welchem ihr Anrufer wohnte. Doch es öffnete keiner, als sie klingelte und klopfte. Sie begann die Gegend abzusuchen.7:45 Uhr
Rolf Carson war ein dicker, gutmütiger Mensch und er schloss gerade die Eingangstür seines Lebensmittelladen auf. Zwar öffnete er normalerweise erst um acht, aber er war heute ziemlich pünktlich, - fast zu pünktlich. Er bereitete noch die Kasse vor, staubte die Regale ab und sortierte die Lebensmittel ein. Rolf Carson war Vater von zwei schon erwachsenen Jungen, die in Boulder jeder ein Computergeschäft eröffnet hatten. Er konnte sich nicht genau erinnern, wie es zu diesem Zweig des Handels gekommen war, aber im Grunde genommen war ihm das auch Wurst. Das Einzige was zählte, war, dass seine Söhne aus sich was gemacht hatten. Jetzt, als er mit seinen Vorbereitungen fertig war, setzte er sich auf einen Stuhl und las den American. Aber er kam nicht sehr weit. Die kleine Glocke über der Eingangstür kündigte einen Besucher an. Er legte die raschelnde Zeitung beiseite und widmete sich seinem Kunden. "Guten Morgen, Mrs. Tanner!", begrüßte er Rebekka. "Morgen. Das ist doch ein elendes Wetter.", erwiderte sie mit grimmigen Blick. Ihre langen Haare hingen ihr über die Stirn. Die Spitzen wellten sich in alle Richtungen und sie ähnelte einem betrunkenen Hippie. "Was brauchen sie?", fragte er freundlich, als Rebekka an den Tresen trat und sich mit den Händen aufstützte. Die Tür öffnete sich noch einmal, das kleine Glöckchen bimmelte erbost und die fette Ernie trat watschelnd ein. Sie hatte sich einen gelben, Wachsbeschichteten Regenmantel. Reisige Regentropfen bahnten sich den Weg durch kleine Falten, die ein minimales Flussbett bildeten. "Guten Morgen, Ernie.", beherrschte sich Carson. Beinahe hätte er das "fette" davor gesetzt, doch das war ja nicht gerade kundenfreundlich… Rebekka suchte sich aus den einzelnen Regalen ihre Lebensmittel zusammen und bezahlte anschließend. Sie hielt sich noch ein bisschen im Geschäft auf, um wenigstens ein etwas zu trocknen. Rolf kümmerte sich nun um Ernestine. Auch sie brauchte nicht sehr lange, bis sie sich entschied, was sie heute kaufen wollte. Da Freundlichkeit für Carson nicht nur zum Geschäft gehörte, merkte man nicht seine Verachtung der Frau gegenüber. Doch natürlich mochte er sie nicht. Sie verließ den Laden und watschelte in den Regen hinaus. Mrs. Tanner machte sich nun auch auf den Weg und Carson hatte wieder Zeit für den American.8:00 Uhr
Trotz des ekelhaften Wetters, fand natürlich die Schule statt. Stuart verließ sein Haus und radelte zur Schule. Doch der Weg war mühselig, da Dalton auf einen leichten Hügel erbaut worden war. Die Grundschule befand sich am Gipfel dieses Hügels. Stu radelte mit seinem Rennrad den Dalton Hill hinauf. Das Wasser spülte die Straße hinunter und der Donner und hin und wieder die Blitze, die den dunkeln, grauen Himmel durchzuckten, bildeten eine allgemein trübe Atmosphäre. Stu trat kräftig in die Pedalen. Doch einmal rutschte sein linker Fuß vom Pedal und er stürzte der Länge nach in den Dreck. Seine Hose sog sich sofort mit dem Regenwasser voll. Er fluchte wie wild und radelte niedergeschlagen weiter. Ist das nicht ein GROSSARTIGER TAG HEUTE?, fragte er sich.8:18 Uhr
Luise fand Samson in seinem Keller. Dort hatte er sich eine große Computeranlgae aufgebaut. Natürlich war der Keller eher ein trockner, steriler Arbeitsraum. Herbert Samson war gelernter Meterologe, Aktivist in mehreren Umweltverbänden und sein Hobby galt der Datensammlung über alle größeren Wetterphänomene, vom Wirbelsturm bis zum Erdbeben. Das gute an seinem Job war, dass er immer zu Hause war. Er gehörte zu einer meteorologischen Einrichtung, die ihre Angestellten in ganz Amerika hatten. Die Bezahlung war wirklich gut und ihm machte der Job eine Menge Spaß. Sie war um das Haus gewandert und hatte ihn gesucht. Bis ihr der Lichtschein aus dem dreckigen Fenster auffiel. Vor einem Blumenbeet musste sie sich knien, um durch das Fenster überhaupt etwas zu erkennen zu können. Luise sah ihren ehemaligen Schulkameraden, der mit schwarzen, langen Haaren und einem Holzhackerhemd vor dem Monitor saß und wie ein Verrückter auf den Monitor starrte. Seine Hände bewegten sich rasch über die Tastatur. Sie klopfte an das Fenster, wobei ihre Handtasche im Blumenbeet landete und die durch den Regen schlammig gewordene Erde ihr Werk des Drecks vollendete. Er bemerkte sie erst nicht, bis er zufällig mal seinen Blick von dem Computer löste, um nach einer Zigarette zu suchen. Als er sie entdeckte winkte er ihr und Luise stürmte jetzt durchgetrieft zur Front des neuen Hauses, dass erst eins, zwei Jahre alt war. Er öffnete die Tür und betrachtete sie erst einmal kritisch, dann bat er sie herein. "Tut mir leid.", entschuldigte er sich und nahm ihr den schweren, mit Regenwasser voll gesogenen Mantel ab. "Ist nicht so schlimm. Hast du schon ein paar Informationen für mich? Das ich das alles vielleicht etwas verstehen kann?", entgegnete sie ehrlich. "Nun. Es wird etwas schwer sein einem - Verzeihung wenn ich den Ausdruck gebrauche - Laien so etwas Kompliziertes zu erklären.", erklärte Herbert und kratzte sich an der Stirn. Luise hing ihre Tasche an den Harken und die beiden ehemaligen Uni- und High School Kameraden bahnten sich den Weg durch das schlampige Haus. "Entschuldige meine hervorragende Ordnung.", scherzte er. Überall lagen Bücher, Socken, Hosen, T-Shirts, Disketten, Papierstöße und anderer Kram herum. Sie nickte und die Beiden gingen eine knarrende Holztreppe hinunter. Sie führte in das Arbeitszimmer, dass sonst immer ordentlich aufgeräumt war. Doch heute schien ein Bombenanschlag darin alles verwüstet zu haben. Sie traten auf Heften und Büchern herum. Er suchte nach einem zweiten Stuhl und sie setzten sich vor den Computer. "Nun...laß mich mal überlegen, wie ich es dir am besten und vor allem am kürzesten erklären kann. Das Problem ist so komplex und die Zeit steht nicht gut für uns." Samson fläzte sich in den Bürostuhl und Luise heftete ihren ernsten Blick auf ihn. Der Monitor zeigte fliegende Sterne in der Dunkelheit. Ein Bildschirmschoner, stellte sie fest. "Also ich könnte jetzt damit anfangen von der großen Katastrophe der UMWELTVERSCHMUTZUNG erzählen, aber die Leier kennst du sicher. Außerdem würde uns das keinen Schritt weiter bringen. Wie du sicher bemerkt hast verschlechtert sich das Wetter seit einigen Tagen enorm." Luise nickte. "Gut. Äh...das heißt Mist! Diese Verschlechterung mit den starken Regengüssen, die wie in den Tropen plötzlich und unaufhaltsam stark auf die Erde prasseln sollen, nach den Thesen vieler Wissenschaftler der Anfang des Weltuntergangs sein." Er kicherte. "Natürlich ist das irgendwo Quatsch. Man kann nicht von einem Weltuntergang sprechen, aber von einer klimatischen Veränderung. Nun könnte ich auch anführen, dass sich die Welt in ihrer Evolution in diesen Jahr Millionen immer verändert hat. Aber dann könntest du oder jemand anderes daher kommen und meinen, eh Spinner denk mal an die UMWELTVERSCHMUTZUNG und an den FORTSCHRITT. Du musst dir im Klaren sein, dass der größte Feind des Menschen die eigene Art ist. Ja, wir - unserer Gesellschaft - vernichten uns gegenseitig. Andere behaupten, dass es der Fortschritt ist. Aber wie kam den der Fortschritt zu Stande?" Er hielt inne und zündete sich eine Zigarre an. Aha, dieses alte Laster konnte er noch immer nicht aufgeben, so wie er wollte, dachte Luise etwas belustigt. Nach ein paar Zügen, der Qualm stieg an die Holzgetäfelte Decke, fuhr er fort: "Aber wir vernichten uns selber und jetzt kommt das NATÜRLICHE GLEICHGEWICHT oder BIOLOGISCHE GLEICHGEWICHT ins wanken. Die ersten Vorboten einer riesigen Katastrophe sind Stürme. Und jetzt wirst du verstehen, warum ich so aufgeregt am Telefon war. In ganz Colorado sind richtige Sturmwände entstanden. So nenne ich diese Stürme. Sie fegen nicht über das Land, nein sie entstehen und wüten dort eine Weile, dann sind sie komischer Weise einfach verschwunden. In Kalifornien wurden heute Nacht ganze Städte unter Wasser gesetzt. Und wir kommen gegen diese Gewaltmächte der Natur nicht an. Natürlich streitet man es allgemein ab, dass dies der Anfang vom Ende ist. Aber es wird zunehmen und stärker werden, wenn wir nicht was dagegen tun.", erklärte er und beruhigte sich jetzt langsam. Luise hatte ihm aufmerksam zugehört und in ihrer Gedankenwelt staute sich eine Menge Gedankenmüll an. Sie musste entscheiden, was wichtig und was nur unverwertbarer Schrott sein sollte. "Bevor wir uns den Kopf zerbrechen werde ich dich jetzt mal mit Informationen voll pumpen. Wir müssen auf jeden Fall was tun, okay?", meinte Samson und begann ihr einige Informationen und Datenbanken zu zeigen. Noch waren sie ratlos und die Zeit schritt voran.8:39 Uhr
Randy lag unter einer umgefallen Mülltonne im Dreck. Sein Fell war zerzaust und dreckig. Er zitterte am ganzen Leib und fürchtete sich. Wieder verspürte er den Appetit auf den Kauknochen für Welpen. Er war die Straße entlang geflohen und streifte schon einige Zeit in Dalton herum. Er wollte nach Hause, doch der Regen und das beginnende Gewitter schüchterten ihn ein. In der umgestürzten Mülltonne, in einer der dunklen Gassen Daltons, war es wenigstens etwas trocken. Dafür sank es nach Fäulnis und Dreck. Der Hundemagen begann zu rebellieren. Doch den Mut den Kampf gegen den das Wetter auf zu nehmen wollte nicht aufkommen. Randy sah wie ein nasser Pudel aus und der Dreck setzte sich in seinem Fell fest. Sicherlich machte sich Familie Smith Sorgen um ihren Hund, aber würde sie ihn suchen? Er war schon öfters ein paar Tage unterwegs gewesen. Er hatte den Kontakt zu Weibchen gesucht, wenn sie dieses Gefühl verspürten, wo sie unbedingt mit einem zusammen sein. Doch dieses Stadium war erst im August und jetzt ging jeder Hund in Dalton seine eigenen Wege. Zwar spielten sie manchmal miteinander (wenn ihre Besitzer es zuließen), aber das war auch schon alles. Der Himmel über Dalton sah gefährlich und monströs aus. Wie eine riesige, dreckige Hand legte er sich über die Stadt. Oder wie ein dunkles Leichentuch. Die Regentropfen trommelten auf das Blech der Mülltonne und spielten die Melodie der Traurigkeit. Die fetten Regentropfen waren grau und stanken auch etwas nach Benzin. Ozongeruch erfüllte die Luft, Blitzte zuckten am Himmel und bei jeden Donner bebte die Erde leicht. Randy spürte diese Vibration in seinen Pfoten und das machte ihm Angst. Er lag mit eingekniffen Schwanz in der Mülltonne, um ihn eine Menge Müll und er winselte vor sich hin. Doch das Wetter ließ ihm im Stich.8:55 Uhr
Rebekka Tanner radelte mit ihrem Trackingbike durch die Straßen. Am Lenker hing der ausgebeulte Beutel mit den Lebensmitteln. Ihre Haare machten aus ihre eine grausige, hilflose Gestallt. Die Regentropfen zogen ihr einen Scheitel und hangelten sich an ihren Haaren herab. Sie trat kräftig in die Pedale, weil sie von einem riesigen Angstgefühl verfolgt wurde. Dieses Gefühl kam, wie der Weiße Hai aus dem Kino, hinter ihr her. Es verfolgte sie mit einer grausamen Erkenntnis. Sie konnte sich diese Erkenntnis in blutigen, riesigen Lettern vorstellen. Sie wuselte hinter ihr her, bewegte sich und ekelte sie auch etwas an. Die bluttriefenden Lettern schrieben: GEFAHR FÜR DEINE PFERDE! Mrs. Tanner radelte nun mit aller Kraft die Straße entlang und ihre Beine wurden immer schwerer. Jetzt kam auch noch ein starker Wind auf und erschwerte das Vorwärtskommen umso mehr. Sie wusste ihre Pferde waren in Gefahr.8:58 Uhr
Little Cloud hatte sich entschieden. Jetzt lief er durch den Regen die Landstraße entlang in Richtung Dalton. Eine Meile war für ihn nicht viel. Seine langen Haare sahen zerzaust aus und in sein Gesicht war eine Reliefkarte von Falten. Seine Mokassins sogen sich leicht mit dem Regenwasser voll, aber das machte ihm nichts. Ein schmatzendes Geräusch erklang bei jedem Schritt, als ob er durch einen Sumpf watete. Little Cloud war kurz vor der Abbiegung zur Tannersroad, als er einen krachenden Donner vernahm, dass es in seinen Fingerkuppen vibrierte. Doch diesmal folgte gleich ein riesiger, leuchtender Riss in den dunklen Wolken. Es war der größte und Furcht erregendste Blitz, den er je gesehen hatte. Er stieß wie eine riesige Lanze durch die Wolkenwand und bahnte sich in Sekunden den Weg auf die Erde. Es roch eh schon nach Elektrizität, aber jetzt stank es regelrecht. Nach dem Blitz folgte eine große Feuerflamme, die sich schnell verbreiten sollte. Er rannte so schnell er konnte, denn er war sich sicher, dass der Blitz in der Nähe der Ranch eingeschlagen war. Seine Füße leisteten beachtliche Arbeit für sein Alter und sein Kreislauf ließ ihn nicht im Stich.9:03 Uhr
Rebekka ließ gerade das Eingangsschild mit der Aufschrift DALTON hinter sich. Sie radelte wie der Blitz und jetzt erblickte sie, was ihr Angstgefühl ihr schon längst weiß gemacht hatte. Sie entdeckte FEUER auf ihren Grund. Standen die Stallungen schon in Brand? Sie gab alles, was sie noch an Kraft besaß und leider drehte sich der Wind und begann das Feuer zu nähren. Als sie auf ihre Privatstraße mit den Namen Tannersroad einbog, rutschte sie mit dem Fahrrad im Dreck weg und landete im Rasen. Der Beutel fiel zu Boden und die Lebensmittel kullerten raus. Doch das interessierte Mrs. Tanner nicht. Sie rannte jetzt und die ihr entgegenschlagende Hitzewelle ließ sie die grausamsten Sachen befürchten. Noch waren die Stallungen nicht betroffen, aber ihr Haus. Sie rannte am Traktor vorbei und entdeckte die große, offen stehende Stalltür. Vorsichtig blickte sie hinein und entdeckte den Indianer, der gerade das letzte Pferd dazu bewegen wollte, dass es seinen Futterplatz im Stich ließ. Sie kam zu ihm, streichelte ihren Mustang und nannte ihn beim Namen. "Komm Stone, sei ein liebes Pferdchen.", bat sie und streichelte über die Nüstern des Pferdes. Die Flanken des Tieres waren mit Schweißperlen übersät. Es war eine Bullenhitze in diesem Gebäude und sie zogen jetzt gemeinsam das Pferd nach draußen auf die Koppel. Als sie bei den anderen Pferden waren, die wild umher galoppierten und wieherten, da bemerkten sie ihr Glück erst. Denn in dem Augenblick, als sie sich umdrehte explodierte ihr kleines Haus. Die Fensterscheiben flogen in die Luft und mutierten zu unendlichen Fensterspitzen, die wie Granatsplitter im Rasen spickten. Die braunen Fensterrahmen wurden vom Feuer verbrannt und bei der Explosion in die Luft geschleudert. Die Pferde scheuten. Little Cloud war so geistesgegenwärtig und schlug Rebekka mit zu Boden. Beide lagen im feuchten Gras, das jetzt trocknete. Eine riesige und heiße Druckwelle drückte die beiden zu Boden. Die Dachschindeln flogen wie Asche aus einem Vulkan an die Luft, zerfetzten durch die Wucht und landeten nach einigen Sekunden wieder auf der Erde. Sie begriffen, dass sie hier nicht bleiben durften. Also rannten sie davon. Vom Ende der Straße erblickten sie nur noch eine riesige Feuersäule. Ihre Augen tränten von der Hitze und das Licht des Feuers leuchtete so hell wie die Sonne. Eine weitere Explosion erschütterte den Boden. In wenigen Minuten war das Grundstück der Frau nur noch ein Platz purer Zerstörungswut. Die Scheunen und Stallungen brannten rasch ab. Trotz des Regens brannten sie einfach ab. Der Wind nährte diese Feuerwand und das Haus war nur noch eine rauchende Ruine.3 Vormittag
9:25 Uhr
Ben machte sich schreckliche Sorgen um seinen Hund. Seine Eltern auch. Heute war die ganze Familie beisammen, bis auf das Randy jetzt fehlte. Wo mag er bloß stecken?, fragte sich Benni. Seine Eltern hatten heute frei genommen, weil sie das Haus putzten wollten, denn schließlich begann in einer Woche ihr Urlaub. Bis dahin wollten sie das Haus auf Vordermann gebracht haben. Das war eine ihrer häuslichen Traditionen. Doch heute war Benni nicht so aktiv, wie sonst. Seine Eltern sorgten sich auch um Randy. Draußen braute sich ein Unwetter zusammen und ihr Hund war irgendwo im Regen. "Vielleicht ist er ja zu Mark gegangen.", spekulierte Ben. "Ja, das könnte sein.", pflichtete ihm seine Mutter bei, als sie gerade in die Küche kam, um ein neues Handtuch zu holen. Ben ging zum Telefon, nahm den Hörer ab, aber das Telefon war tot. "Scheiße.", entfuhr es ihm. "So etwas sagt man nicht, mein Sohn.", rief sein Vater von oben aus dem Arbeitsraum. "Dad!" "Was ist?", hallte es zu ihm herunter. "Das Telefon geht nicht!" Henk kam an die Treppe und sah seinen Sohn ungläubig an. "Das kann doch nicht sein.", meinte er. Doch er musste feststellen, dass es stimmte. "Bestimmt wegen dem Gewitter.", vermutete er. "Und wie soll ich jetzt Mark erreichen?", wollte Ben wissen. "Zieh dich warm an und ich fahr dich dann hin.", schlug Henk vor. Ben rannte die Treppe hinauf und rief: "Null Problemo. Bin in wenigen Minuten fertig." Als er fertig war, gingen sie in die Garage und fuhren los.9:40 Uhr
In der kleinen Feuerwache leuchtete ein rotes, grelles Licht an der Wand auf. Die Männer saßen an einem Tisch und spielten Poker. Die Feuerwache war eher ein Männerclub. Dort trafen sich die Arbeitslosen am Vormittag und die Beschäftigten am Abend zum Kartenspielen. Aber trotzdem bildeten sie zu der Zeit, als sie sich in diesem Gebäude aufhielten, die Feuerwehr von Dalton. Jetzt schrillte plötzlich die Glocke über der roten Alarmlampe. Sie standen auf und einer von ihnen ging zur Karte an der linken Wand, die mit kleinen Lichtern versehen war. Diesmal leuchtete das Licht, wo die Tannerranch sich befand. Sie zogen sich blitzschnell um und waren in fünf Minuten auf dem Weg. Doch sie würden nicht mehr viel löschen können.10:00 Uhr
Luise musste schlucken. So viel, wie sie jetzt gesehen hatte, dass war ihr im Prinzip schon fast zu viel. Sie saßen wieder oben in der Wohnstube auf der Ledercouch. Samson sah aus dem Fenster und Luise blickte auf den Tisch mit den ausgebreiteten Ausdrucken der Datenbanken. Es war richtig erschreckend. In den letzten Monaten veränderte sich das Klima wirklich. Die Katastrophen hatten sich verdreifacht gegenüber den letzten drei Monaten. Wie konnte das nur möglich sein und vor allem, was sollten sie jetzt machen? "Ich… Wir müssen die Leute darauf aufmerksam machen.", überlegte sie laut. Samson blickte sie an und lächelte dann. Es war aber ein trauriges Lächeln. "Wir können nichts mehr groß machen. Wir müssen die Leute aus dieser elenden Stadt kriegen, bevor es zu spät ist. Hast du nicht eben gerade die Sirene der Feuerwehr gehört?", entgegnete er. Nein, sie war in ihren Gedanken so versunken gewesen, dass sie nichts gehört hatte -- nichts. "Und wie sollen wir das anstellen?", fragte sie etwas zickig. "Wir werden uns meinen Jeep nehmen und zu den einzelnen Häusern fahren und die Leute versuchen dazu zu bewegen, dass sie die Stadt verlassen. Wir evakuieren im Prinzip. Denn ich spüre dass es in einer halben Stunde hier wie in der Hölle zugehen wird." Luise nickte nur. Sie fühlte sich so klein und hilflos wie eine Laus.10:05 Uhr
Die Ursache für den Ausfall der Telefone war das Gewitter. Auf der Interstaate 25 in Richtung Denver war einer der Telefonmasten mit einem mörderischen Knarren umgeknickt. Der Wind spielte damit, als wäre es ein Streichholz. Die Drähte spannten sich und rissen dann doch. Somit war die Telefonverbindung zwischen den einzelnen Dörfern und Städten nach Denver unterbrochen. Es schien so, als ob sich die Natur auf einen Endkampf einließ und dabei keine Einmischung duldete. Der Wind stürmte jetzt schon leicht über die Straßen und die Sonne wurde von dunklen, grauen Wolken verdeckt. Blitze erhellten ab und zu den Horizont. Der Regen ließ nach und hörte auch bald auf. Doch jetzt wurde es warm, sehr warm. In einigen Dörfern und Städten rund um Denver war Feuer ausgebrochen und machte sich an die Arbeit, den Feuerwehrleuten das Leben schwer zu machen.10:15 Uhr
Die fette Ernestine saß wieder auf ihrem Sofa und sah gebannt auf die Matschscheibe ihres Schwarzweißfernsehers. Sie hatte zwar genug Geld für einen neuen, aber sie war zu geizig. Ein leises Kratzen machte ihr plötzlich Angst. Es schien von der Eingangstür zu kommen. Sie stellte das Gerät leiser und hockte sich auf das rote Sofa. Sie verspürte nagende Angst, die an ihren Sinnen sich labte und sie zu ängstlichen Fäden verstümmelte. Ein Schauer des Grauens legte sich auf ihre Haut und sie zitterte am ganzen Leib. Plötzlich geisterten in ihrem Gehirn die Monster ihrer Alpträume herum. (Seit ihr Mann im Vietnamkrieg gefallen war träumte sie von beweglichen Panzern mit roten, glühenden Augen, die ihre Kanone auf sie richteten.) War das Kratzen eben nicht lauter geworden? Sie zitterte am ganzen Leib, ihre Zähne klapperten leicht. Sie hatte zwar nur noch wenige, aber diese wenigen klapperten wie tausende. Vorsichtig, um ja kein Geräusch zu machen oder sich irgendwo zu stoßen, erhob sie sich vom Sofa und schlich mit ihren dicken Füßen über den Teppich. Doch das Kratzen ließ nicht nach. Im Gegenteil es wurde jetzt wirklich lauter. DA! Hatte da nicht eben etwas aufgejault? Sie war sich so sicher, wie das Amen in der Kirche! Ihre Haare an den dicklichen Armen standen ihr zu Berge und die Haut verwandelte sich in eine Gänsehaut. Doch, jetzt als sie kurz vor der Haustür stand, da wurde sie von einem Donner in die Flucht geschlagen. Bei diesem Knall, der sich anhörte, als ob neben ihr ein Flugzeug gerade die Schallmauer überwunden hatte, zuckte sie zusammen und rannte wie der Blitz in ihr Schlafzimmer und versteckte sich unter der Bettdecke. Ein flaues Gefühl der Angst machte sich in ihrem Magen bemerkbar. Sie zitterte immer noch am ganzen Leib und eine kalte Schweißschicht überzog ihre Stirn. Sie sah aus, als ob sie an Fieberwahn litt. Aber das Kratzen ließ nicht nach. Da bat irgendwas oder irgendwer um Einlass. Um Einlass in ihr Haus und sie musste laufend an den Krieg denken. Sie glaubte schon fast die Bomben würden gleich hinter ihr detonieren und sie in tausende Fetzen aus Fleisch und Blut verwandeln. Doch dann blieb das Kratzen aus … Sie kam auch wieder hinter Decke vor. Stille… "Hab ich mir das nur eingebildet?", fragte sie sich flüsternd. Nun, das konnte ja möglich sein. Aber warum sollte sie sich so etwas eingebildet haben? Sie stieg aus dem Bett, was Gott sei Dank nicht knarrte, denn sonst wäre sie ins Bett gesprungen und hätte sich den Rest dieses Tages versteckt. Sie schlich wieder bis zur Tür und dann, als sie ihre Hand auf den Türknauf legte kamen ihr Zweifel. Was ist, wenn dahinter ein Verbrecher lauert, oder ein Monster, oder eine Bestie-- Doch sie versuchte ihre Zweifel zu ignorieren. Sie drehte den Knauf und öffnete die Tür. Als sie gerade aus blickte erkannte sie nichts und wollte schon wieder die Tür schließen, doch dann winselte vor ihr etwas. Sie senkte den Kopf und sah einen Mischling, der voller Dreck war. Sie nahm ihn mit rein und kümmerte sich um den armen Hund. Auf der Marke, die der Mischling um den Hals hing, stand: RANDY.10:25 Uhr
John saß im Arbeitszimmer und sah gerade aus dem Fenster. Er war von Beruf Informatiker und hatte sich eine eigenständige Firma aufgebaut. Er programmierte Programme für die großen Firmen aus ganz Amerika. Zu Zeit arbeitete er an einem Datenbankverwaltungssystem. Dieses System musste alle möglichen Begriffe kennen und auch voll automatisch auf Fehler reagieren. Er war ein guter Programmierer, aber heute lief nichts. Laufend musste er an seine Frau denken, die zu diesem Samson abgehauen war. Jetzt, wo es regnete und gewitterte, da saß er allein. So stellte er sich aber sein Eheleben nicht gerade vor. Er erhob sich aus dem knarrenden Bürostuhl und ging aus dem Zimmer. Der Computer flimmerte im Hintergrund. Stille und Düsternis empfing John in den Räumen. Er ging den langen Flur entlang zur Küche und sah flüchtig aus dem Küchenfenster. Dort zuckte gerade wieder ein Blitz durch den unheilvollen Horizont. Die Wolken zogen ziemlich schnell und sahen irgendwie schwer aus. John öffnete den Kühlschrank und holte ein Sixpack Texas Driver heraus. Das Bier schmeckte ganz gut und er rülpste laut. "Verzeihung!", rief er in die Stille und musste kichern. Trotzdem führten seine Gedanken zu dem Verbleiben seiner Frau zurück. Wer war dieser Samson? Und was wollte er von ihr? "Keine Ahnung.", brummte John vor sich hin. Er stand auf und verließ die Küche und ging ins Schlafzimmer. Dort wühlte er in den Nachtschränken herum und fand die Adresse von Samson. Er ging wieder in den Flur und nahm seine Jacke, kam zurück und griff sich das Sixpack. "Besser ist das…", erinnerte er sich an den Werbeslogan und kicherte wieder. Dann knallte er die Tür hinter sich zu, ging zur Garage. Er suchte die Straße, wo dieser komische Kerl wohnte und wenn er die beiden im Bett erwischen würde, dann würde sich die Mutter von Samson wünschen, dass ihr Sohn niemals auf die Welt gekommen war. John war stocksauer. Der nachlassende Regen besänftigte ihn kein bisschen.10:40 Uhr
Missmutig verließ Ben die Garage und schlurfte ins Haus zurück. Sein Vater folgte ihm. Als Bens Mutter die Beiden erblickte, fragte sie gar nicht, ob sie wüssten, wo Randy steckte. Sie blieb ruhig und streichelte ihrem Sohn das dicke Haar. Doch der entriss sich ihr und rannte weinend die Treppe hinauf. Henk stolperte herein, sah ihr kurz in die Augen und senkte dann den Blick: "Mark hat ihn auch nicht gesehen. Nur weil ich den kleinen Schlawiener angebrüllt habe irrt er jetzt da draußen bei diesem Sauwetter rum." "Mach dir keine Sorgen, er wird wieder kommen. Bisher reagierte Randy doch immer so." Henk nickte, aber er machte sich trotzdem Sorgen um den Hund.10:50 Uhr
"An alle Schüler, der Unterricht nach elf Uhr entfällt, wegen des schlechten Wetters.", meldete sich eine Stimme aus dem Lautsprecher direkt über der Tür des Klassenzimmers, in dem Randolf unterrichtete. Seine Klasse krakeelte laut vor Freude und es dauerte, bis sie sich wieder beruhigten. "Also, wo waren wir stehen geblieben?", fragte er und sah auf die Tafel, an der Gerade ein Diktat berichtigt wurde. Er besah sich den Text und rief einen dicken Schüler auf, der gerade mit seinem Radiergummi spielte und sich ein Dreck um den Unterricht scherte. "Stephen, was fällt dir an der letzten Zeile auf?" Der Junge sah verstört um sich und ein chorisches Kichern ging durch den Raum. "Ich sehe, dass es keinen Fehler gibt!", antwortete der Junge ärgerlich. "Nein. Es gibt schon einen Fehler und du kennst ihn, mein Junge.", entgegnete der Lehrer ruhig. Stuart liebte seinen Job und er mochte Kinder. Er wusste zwar, dass Betty nie eins empfangen würde, aber trotzdem wünschte er sich einen Jungen, mit dem er dann Angeln und zu den Baseballspielen fahren würde. Doch das hatte noch Zeit. Im Augenblick machte ihm das Wetter etwas Sorgen und das bei jedem Blitz das Licht flackerte. "Ja, da ist kein Komma drin, Mr. Randolf.", gab sich Stephen geschlagen. "Stimmt genau. Und warum i-", doch weiter kam er nicht, denn er wurde von der Glocke übertönt. Er hob kapitulierend die Hände und wünschte seinen Schülern ein erholsames Wochenende. Doch, ob es überhaupt ein bisschen Ruhe versprach? Das konnte er sich nicht vorstellen. Nachdem die Schüler verschwunden waren, verließ er auch das Klassenzimmer. Er ging den Gang entlang und blickte auf seine dreckigen Schuhe. Wieder musste er an den Fahrradweg denken und er ärgerte sich, bei der Erinnerung an den Sturz. Draußen stand sein Rennrad. Er machte sich auf den Heimweg. Als er den Dalton Hill herunter radelte und seine Bremsen laut quietschten entdeckte er ein Feuer. Die Feuerwehr wird sich schon darum kümmern, dachte er beruhigend. Nach wenigen Minuten kam er schon zu Hause an und erzählte Betty von seinem Schultag, während er sich ein Sandwich zubereitete.11:05 Uhr
Little Cloud stützte Rebekka und sie schlurfte mit wackligen Füßen über den Asphalt. Die Feuerwehr war an ihnen vorbei gerast, doch sie wussten, dass es für die Männer dort nichts mehr zu retten gab. Sie waren kurz vor dem Stadteingang, als Rebekka zusammenbrach. Sie ließ sich einfach fallen und Little Cloud reagierte zu spät. Seine Mokassins waren so feucht wie ein unausgerungener Waschlappen und auch er fühlte sich schwach und K.O. Er kniete sich vor Rebekka und blickte ihr tief in die dunklen Augen: "Ich weiß, sie sind geschafft. Aber wir müssen in die Stadt. Hier draußen sind wir in einer halben Stunde bestimmt nicht mehr sicher." 'Becka nickte und er half ihr beim Aufstehen. Unsicher schlurften sie über den Asphalt und ein immer stärker werdender Wind wehte ihnen ins Gesicht. Es donnerte und blitzte und Rebekka ängstigte sich zusehens.11:11 Uhr
11:11 Uhr Das Feuer, was Stuart vom Dalton Hill erblickt hatte verbreitete sich durch den aufkommenden Wind immer mehr. Die Feuerwehr hatte alle Hände voll zu tun und das Wetter spielte mit ihnen Katz und Maus. Der Wind schürte dieses riesige Lagerfeuer. Die Hitze trieb stinkenden Schweiß aus ihren Poren. Doch sie wollten sich nicht geschlagen geben.11:20 Uhr
Der Jeep Wrangler hielt mit quietschenden Reifen vor der Tankstelle am Ende des Ortes. Ein Schäferhund bellte Luise und Samson frech an, doch als sein Herrchen aus dem Tankhäuschen kam beruhigte es sich. "Wenn sie tanken wollen, heute ist geschlossen!", meckerte Richard Papperman. Richards Gesicht war mit verdreckten Pusteln übersät und seine Lippen waren zerfranst. Der alte Mann war schon immer recht seltsam gewesen und stellte für die Beiden ein hartes Brot dar. "Wir sind nicht wegen einer Tankfüllung hierher gefahren.", ergriff Samson das Wort. "Womit wollen sie denn dann meine Zeit verschwenden?", fragte Richard grimmig und sein Hund knurrte Luise und Henk an. Der Hund war an einer langen Eisenkette angeleint und sah recht mager aus. "Wir wollen sie auffordern die Stadt zu verlassen und sich auf den Weg nach Denver zu machen." "Warum?", fragte der Tankstellenbesitzer etwas verängstigt. Ein kurzer Blick zum Himmel beantwortete ihm im Prinzip die Frage. Doch er blieb stur: "Glauben sie etwa, dass ich wegen eines kleinen Stürmchens mir gleich in die Hosen pisse?" "So hat es Mr. Samson nicht gemeint.", mischte sich Luise jetzt mit ein. "Ihr könnt mich mal. Und wenn ihr mein Grundstück nicht in fünf Minuten verlasst, dann lass ich den Hund auf euch los. Er hat noch nicht gefrühstückt.", beendete der alte, grimmige Mann das Gespräch. Der Hund knurrte Furcht erregend und Luise dachte sarkastisch: Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Samson drehte sich um und die Beiden stiefelten wieder zum schwarzen Wrangler. Luise sah um sich, als sie ihren Mann entdeckte. Aus irgendeinem Grund erschrak sie zu tiefst und zitterte leicht. John sah wütend aus. Sehr wütend. Richard verschwand wieder hinter der kaputten Tür und der Hund legte sich nieder. Johns Stiefel patschten über den Asphalt und er ging schnurr stracks auf die beiden zu. Sein Gesicht war leicht gerötet und aus seinen Augen sprühte förmlich die Wut. Er würdigte Luise keines Blickes und trat auf Samson zu, der leicht zurück wich. "Gut dass Sie kommen....", versuchte Herbert ihn zu besänftigen,"...wir wollten gerade zu ihnen fahren und sie bitten mit uns zu kommen." Ersah flüchtig zu Luise, die ängstlich am Wrangler lehnte und die beiden beobachtete. Eigentlich wäre es doch ihre Aufgabe, ihren Mann aufzuklären, nicht? Aber sie traute sich nicht, sie ängstigte sich zu sehr. "Du brauchst mir nichts vormachen. Du elender Naseweis. Für deinen Programmscheiß war ich nicht gut genug und jetzt machst du dich an Luise rann. He?", krächzte er ihn etwas gekränkt an und ging weiter auf ihn zu. "Nein, nein..." "Doch, doch! Als ich dir dein Programm programmiert habe warst du schon auf sie scharf und jetzt bist du es erst recht!", schrie er jetzt. Der Schäferhund erhob sich und knurrte die beiden Störenfriede an. Samson sah sich nach dem Hund um und als er wieder nach vorne sah, knallte Johns Faust auf seinen Unterkiefer. Er taumelte zurück, Luise rief weinend dazwischen und der Hund bellte jetzt wie wild. Doch Samson blieb standhaft und John ging trotz der verzweifelten Rufe seiner Frau auf den Meteorologen zu. Der Regen setzte wieder ein und die dicken Regentropfen platschten wieder zu Boden. Bevor John noch einmal zuschlagen konnte stellte sich Luise zwischen die Beiden und schrie verzweifelt: "Ich will das du ihn in RUHE LÄSST! HAST DU VERSTANDEN! Wir erklären dir alles der Reihe nach, ABER BERUHIGE DICH JETZT ENDLICH!" John sackte förmlich in sich zusammen und schlug die Hände vors Gesicht. Samson entspannte sich und der Schäferhund beruhigte sich ebenfalls. Sie setzten sich in den Jeep und sie erklärten John alles. Er hörte aufmerksam zu und Luise bemerkte, dass er sich schämte. Aber irgendwie fühlte sie sich von der ganzen Wut, mit der ihr Mann sie beschützen wollte, geschmeichelt.11:49 Uhr
Little Cloud und Rebekka schafften es in den Laden von Rolf Carson. Er zog zwei Stühle aus einem der Hinterräume hervor, damit sich die Beiden setzten. Als Cloud und 'Becka wieder einiger Maßen ruhig atmete, erzählten sie von dem Feuer. Carson hörte aufmerksam zu. "Und ihre Pferde sind jetzt frei. Wir hoffen, dass sie schlau genug sind und dem Feuer aus dem Weg gehen.", beendete Little Cloud den Bericht. "Was für eine Scheiße!", platzte es aus Carson heraus. "Habt ihr schon mit dem Sheriff geredet?" "Ja, wir wollten. Aber er ist nicht zu finden.", erzählte Rebekka. "Und was wollt ihr jetzt machen?" "Wir müssen alle aus Dalton. In einer Stunde oder so, sitzt hier kein Stein mehr richtig. Da kommt eines der schlimmsten Unwetter auf die Stadt zu, die ich je erlebt habe. Und das waren eine Menge." Mit quietschenden Reifen hielt ein schwarzer Jeep vor dem Geschäft. "Das ist Samson, dieser Meteorologe. Mal sehen, was der will.", sagte Rolf und ging auf die Tür zu und schloss sie schnell wieder auf. Ohne ein Wort der Begrüßung oder der Besorgnis platzte Henk herein und ging festen Schrittes auf die beiden zu. "Was ist los? Seid ihr von dem Wetter überrascht worden. Ist es schon zu spät?" "Ja, das kann man wohl so sagen.", erwiderte Little Cloud. "Mrs. Tanners Farm ist von einen dieser Blitze dem Erdboden gleich gemacht worden." "Und, ist das Feuer gelöscht worden?" "Ich glaube schon.", meldete sich Rebekka zu Wort. "Was willst du, Samson", fragte Carson, der sich jetzt etwas fehl am Platze fühlte. "Wir fahren durch die Stadt und rufen die Leute auf, sie zu verlassen, nach Denver oder Boulder zu fahren. Und das so lange es noch geht.", erklärte Henk mit fester Stimme. Die Stimme es Anführers, fand Little Cloud. "Die Idee war uns auch gerade gekommen.", meinte Carson, dem Samson den Rücken zugewandt hatte. Jetzt drehte er sich um. "Also verschwindet so schnell wie möglich! Wenn ihr Andere sieht, dann sagt ihnen, was ich euch gesagt habe. Sie müssen unbedingt die Stadt verlassen. Aber nicht allein, immer in Gruppen, okay?" "Ja, wir machen uns dann gleich auf die Socken.", entgegnete Rolf. Samson verabschiedete sich und verließ den Laden wieder. Ruckartig fuhr er an und verschwand aus der Sicht der drei.Samstag, 21. Dezember 2024
Seite: Geschichten
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Gesamt: 11951 seit 25.10.2011
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Statistik zu
Dunkle Wolken über der Stadt (Teil 1)
Eines meiner Erstlingswerke
Eines meiner Erstlingswerke
Kategorie: Geschichten
Erstellt von: Badfinger
Veröffentlicht am: 29.08.2003 02:38
Geändert am: 02.09.2003 20:54
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Erstellt von: Badfinger
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Seit 25.10.2011
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